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„Musik zur Menschwerdung“ | Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor 2025


23. Dezember 2025

Jetzt kann es Weihnachten werden! Der Kreuzchor hat wieder für tausende Menschen die ersten drei Kantaten von Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ aufgeführt – an drei Abenden hintereinander. Davor waren es Stadionkonzert und Weihnachtsliederabende, Christvespern und -mette liegen noch vor den Jungen. Weihnachtszeit ist Hochzeit, das „Weihnachtsoratorium“ eine alte Tradition: für den Chor und die Zuhörer. Bach komponierte bewegende Musik. Die exzellente Darbietung in der Kreuzkirche ist für viele Dresdner ein Muss vor dem Fest.

J.S. Bachs Weihnachtsoratorium 1-3 mit dem Dresdner Kreuzchor

Tatsächlich war der Chor wiederum bestens präpariert, schließlich hat er das Konzert schon vor Tagen zweimal in Berlin gesungen. Zahlreiche Sänger verzichteten auf die Noten, so genau kennen sie das Werk. Ebenso verlässlich, wie klangschöner Partner, ist die Dresdner Philharmonie. In den begleitenden Passagen, wie in der wunderbar ausgestalteten Sinfonia, zeigte das Orchester seine Qualitäten. Mit den obligaten Soli wurden herzergreifende Dialoge mit den Gesangssolisten geführt.

Heutzutage ist es gar nicht so einfach, zu jauchzen und zu frohlocken und mit barockem Glanz all die Probleme und Sorgen zu überdecken. Dresdens Ensemble von Weltruhm schaffte es trotzdem.

Herauszuheben ist hier insbesondere Konzertmeisterin Heike Janicke bei der Altarie „Schließe mein Herz …“. Sophie Harmsen hat die Altsoli mit warmer Stimme und empathischer Interpretation gestaltet. Als Sopranistin war Griet de Geyter zu erleben, die mit heller, flinker und genau fokussierter Stimme als Engel den Hirten die Freudenbotschaft bringt. Im einzigen wirklichen Duett der Kantatenreihe, „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“, sang sie zusammen mit Andreas Wolf. Der Basssolist hat in den ersten drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums eine deutlich umfangreichere Aufgabe. Wolf wirkte dabei überkonzentriert, vielleicht leicht indisponiert, die Stimme hat zwar schönen, weichen Klang, der Vortrag aber war nicht fehlerfrei.

Frenetischer Schlussapplaus für den Chor

Völlig souverän und der Glanzpunkt des Solistenensembles war Patrick Grahl. Mit wohldosiertem Erzählgestus, klangvoll und leicht in der Höhe vermittelt er den Text des Gesungenen als authentische Botschaft an die Zuhörenden. Selbst in der Arie „Frohe Hirten“ sind die kunstvollen Koloraturen nie inhaltloser Zierrat, sondern versuchen, die Hirten zur Eile anzutreiben.

Gott wird Mensch, der Mächtige macht sich klein

Martin Lehmann am Pult leitete die Aufführung sicher und motivierte seine jungen Sänger zu einer beeindruckenden Gesamtleistung. Das Publikum war angeregt und applaudierte am Ende allen Beteiligten herzlich, für den Chor regelrecht frenetisch. Und sonst? Ist das „Weihnachtsoratorium“ mehr als traditioneller Festauftakt? Zeigt die Aufführung, dass es heutzutage gar nicht so einfach ist, zu jauchzen und zu frohlocken, mit barockem Glanz all die Probleme und Sorgen zu überdecken? Kann man von einer Interpretation erwarten, dass sie den Hörer auf die Aktualität des gesungenen Textes verweist? Erschließt die musikalische Darbietung die Bedeutung des Werkes auch über ihre religiöse Botschaft hinaus?

J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden
J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden (c) Oliver Killig

Wer ist „großer Herr und starker König“? Der, der „der Erden Pracht“ wenig achtet? Wie kann das Wechselspiel von Basssolist und Trompete diese andere Botschaft hörbar werden lassen? Gott wird Mensch. Der Mächtige macht sich klein. Seit zweitausend Jahren feiern Menschen zu Weihnachten diesen Traum vom Gewaltverzicht, vor über 250 Jahren hat ihn Bach komponiert, seit knapp 60 Jahren singen die Kruzianer davon.

Weihnachtsfest ist mehr als sein wirbelndes Drumherum

Was erzählt der Choral „Brich an, o schönes Morgenlicht“, der mit dem letzten Satz den wohl aktuellsten Wunsch formuliert: „und letztlich Frieden bringen“? Wie geschickt hat Bach den Engelchor komponiert, der in froher Aufregung und Begeisterung singt „Ehre sein Gott in der Höhe … und den Menschen ein Wohlgefallen“, dazwischen aber ganz besinnlich und ruhig genau diesen Teil der Weihnachtsbotschaft einfasst: „Friede auf Erden“.

Kann es jetzt Weihnachten werden? Oder ist da noch so manches zu tun? Das Fest ist mehr als das wirbelnde Drumherum von Essen, Geschenken und Traditionen. Das verrät schon der Blick auf das Kind, das Liebe und Hilfe braucht, damit wirklich Frieden wird.

Jens Daniel Schubert | 22.12.2025 | SZ Feuilleton | „Musik zur Menschwerdung“

J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden
J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden (c) Oliver Killig

„Jauchzet und frohlocket“

Zweifellos birgt die Advents- und Weihnachtszeit für den Dresdner Kreuzchor viele, besondere Strapazen in sich. Das war schon immer so und ist auch so geblieben. Nun ist also unmittelbar vor der Serie der ersten drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums von Bach auch noch das Stadionkonzert hinzugekommen. Und in diesem Jahr, zumindest am Freitag, kam man nicht umhin festzustellen, dass diese Belastungen auch ihre Spuren am Kreuzchor hinterlassen haben. Immer mal wieder schlichen sich intonatorische Unsicherheiten ein, klappte das Zusammenspiel mit den anderen Beteiligten nicht so ganz auf dem i-Punkt.

Der erste Teil des Weihnachtsoratoriums beim Dresdner Kreuzchor.

Andererseits gilt dem Dresdner Kreuzchor die uneingeschränkte Bewunderung für sein Durchhaltevermögen, die festlich-erhebende Singfreude. Mit hörbarer Begeisterung folgten die Sänger den Intentionen von Kreuzkantor Martin Lehmann nach einem frischen, unprätentiösen Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ oder auch nach belebendem strahlenden Glanz in „Herrscher des Himmels“. Klangschön und dem Anliegen des Werkes entsprungen, entwickelten sich die Choräle.

J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden
J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden (c) Oliver Killig

Die irgendwie unbeschwerte Fröhlichkeit der Aufführung setzte sich nahtlos bei der Dresdner Philharmonie fort, durchzogen mit ersten Instrumentalsolisten. Beispielhaft seien die sanften Flötenkaskaden von Kathrin Bäz genannt. Die einfühlsamen Akzente der Continuo-Gruppe um Kreuzorganist Holger Gehring mochte man auch nicht missen.

Beim Solistenquartett gab es Licht und Schatten. Die sehr individuelle, berührende Gestaltung der Evangelistenworte durch Patrick Grahl wird im Gedächtnis bleiben, ebenso, dass er sich scheinbar mühelos in den Koloraturen der Hirtenarie tummelte. Hingegen kämpfte der Bassist Andreas Wolf tapfer gegen eine Erkältung an und schlug sich dafür sehr achtbar. Mit ihrer sicher geführten Altstimme kam Sophie Harmsen ohne größere Probleme durch die Arienlandschaft. Von Bach arg vernachlässigt ist der Solosopran in den ersten drei Kantaten. Mit ihrer schönen, klaren Stimme leistete Griet de Geyter Beachtliches.

Mareile Hanns | 22.12.2025 | DNN Kultur | „Jauchzet und frohlocket“

J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden
J.S. Bach, Weihnachtsoratorium mit dem Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden (c) Oliver Killig