„Mit offenen Armen empfangen – Weihnachtsliederabend des Kreuzchores in der Kreuzkirche“
11. Dezember 2023
„Der Weihnachtsliederabend des Dresdner Kreuzchores in der Kreuzkirche ist für viele ein Konzerthöhepunkt in der Adventszeit – zu Recht! Verspricht er doch nicht allein „alte Lieder“, sondern eine Verankerung der Tradition in unserer Zeit. Und der Chor ist nicht nur hinsichtlich seiner Homogenität und der aus ihm hervortretenden Solisten (von den jüngsten bis zu den erfahrenen) derzeit in einer umwerfenden Verfassung. Am Sonnabend und Sonntag waren die Aufführungen ausverkauft.
Die Vielfalt des Programms zeigte sich in der Folge der Titel ebenso wie in der lebendigen Präsentation. Das Capell Brass Quintett sorgte für eine geschmeidige Begleitung, wo der Kreuzchor nicht a cappella sang, hatte aber auch eigene Stücke. Den Einzug begleitete Kreuzorganist Holger Gehring mit Alexandre Guilmants Marche sur Georg Friedrich Händels „Hoch tut euch auf!“.
Insgesamt gefiel die Geschlossenheit, wobei Kreuzkantor Martin Lehmann keinen übermäßigen Pomp betrieb, sondern mit seinem Chor als Vermittler auftrat. Am meisten bei drei Liedern, für die sich ein Teil der Kruzianer seitlich im Schiff oder im Quartett an den Ecken um das Publikum aufstellte. Nicht immer müssen Millionen umschlungen werden – die Besucher einer Kirche können genügen! Gleichzeitig verdeutlichten gerade hier die überlieferten Titel im Satz lebender Komponisten („Macht hoch die Tür“ von 1704 im Satz von Rainer Selle am Beginn des Abends und „Oh du fröhliche“ aus dem 18. Jahrhundert im Satz von Ekkehard Nickel am Programmschluss) eine über Generationen bestehende Brücke. Die im Raum verteilten Knaben sangen eine zweite Stimme, die teils nicht alle Verse enthielt, einzelne Worte aber betonte. Das aus dem 15. Jahrhundert stammende „Quempas“ im Satz von Michael Praetorius (Bearbeitung: Rudolf Mauersberger) mit den Knabenquartetten ringsum war das aufführungsdramatisch vielleicht gelungenste Stück. Und gleichzeitig eine Gelegenheit, den Kreuzkantor, da er sich umwenden musste, näher zu erleben. Dafür boten auch Lieder, die das Publikum mitsingen durfte, Vertiefungsmöglichkeiten (unter anderem Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“).“
Weihnachtsliederabend des Dresdner Kreuzchores 2023
„Beinahe zwei Stunden vergingen wie im Fluge, nicht zuletzt, weil die Komposition des Abends stimmte. Kreuzchor, Capell Brass Quintett und Kreuzorganist ergänzten einander, oft in variierenden Formen über die Strophen, und trafen sich spätestens, wenn die Gemeinde auch einsetzte.
Außer beim Einzug erklang die Orgel solistisch mit Weihnachtspastorale op. 56 von Gustav Adolf Merkel sowie später mit Christian Robert Pfretzschners Variationen über „Stille Nacht“. Pfretzschner und Merkel, Kreuzorganisten im 19. Jahrhundert, gehörten wie der mehrfach im Programm vertretene Rudolf Mauersberger zur Geschichte der Kreuzkirche.
Das Capell Brass Quintett war in den Arrangements eng mit dem Kreuzchor verbunden, ließ seine Instrumente aber auch in einem Rondeau von Jean Joseph Mouret und einer Hänsel-und-Gretel-Suite funkeln.
Über Mendelssohn („Weihnachten“), ein ukrainisches Lied, Eric Whitacre (ein sagenhaft schwebendes „Lux aurumque“!) und „In dulci jubilo“ erstreckte sich die Programmauswahl. Mehr als „für jeden etwas“ – vielmehr etwas für jeden! Die Lieblingslieder („Kommet, ihr Hirten“ oder „Maria durch ein Dornwald ging“?) zählten sicher dazu.
Am kommenden Wochenende singt der Dresdner Kreuzchor an drei Abenden die Kantaten I bis III aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium.“
Wolfram Quellmalz | 11.12.2023 | „Mit offenen Armen empfangen“ | DNN | Seite 9
„Mehr als nur heimelig: Das weltberühmte Ensemble brilliert beim Weihnachtsliederabend
Der Kreuzchor hatte am Wochenende eingeladen, sich auf das Fest einzustimmen. Die Weihnachtsliederabende sind Publikumsmagnete. Bekannte und neue Gesänge in abwechslungsreichen und anspruchsvollen Sätzen, flankiert von Orgel und Bläserquintett und drei Strophen zum Mitsingen für alle bildeten das Programm. Kompositionen und Arrangements spannten den Bogen vom Mittelalter bis ins Heute, strahlten in festlich-barockem Klang und leuchteten in romantischen Farben.
Sie reizten in polyphoner Dichte und besänftigten mit raffinierten Effekten. Großer Applaus und eine klangvolle Zugabe mit Ralph Allwoods „We Three Kings – wir sind die drei Könige“. Kreuzkantor Martin Lehmann hatte dem Konzert eine wohlüberlegte Dramaturgie unterlegt. Manche Chorsätze folgten einander ohne Pause, was etwa den Übergang von Edvard Griegs „Ave Maris Stella“ auf Felix Mendelssohn-Bartholdys „Frohlocket ihr Völker“ sehr eindrücklich wirken ließ. Im ukrainischen Weihnachtslied „Na Jordanskij Ricci“ werden den Heiligen drei Königen zwar ungewöhnliche Gaben zugeschrieben, doch der Schwerpunkt der Interpretation lag auf dem Friedenswunsch des zweiten Königs.
Abwechslung ins Programm brachten zahlreiche Knabensolisten und Filialchöre, die sich wirkungsvoll im Kirchenraum aufstellten. Das „Capell Brass Quintet“ glänzte auch mit reinen Instrumentalstücken, etwa des Zeitgenossen Michael Kamen. Zwischen Mauersbergers „Gelobet seist Du, Jesus Christ“ und Schichas eingängig-vielfältigem Satz von „Ihr Kinderlein kommet“ war das ein sehr passendes Intermezzo. „Stille Nacht“ bleibt dem Festtermin vorbehalten, allerdings klang es in einer verspielten Orgel-Pastorale von Pfretzschner an. Holger Gehring bereicherte den Abend mit mehreren Orgelstücken der Kreuzkirchentradition. Gerade bei Gustav Adolf Merkel ließ er auch ungewöhnliche Register der Jehmlich-Orgel erklingen.
Klangkultur, Textverständlichkeit, wirkungsvolle Dynamik und weite chorische Phrasierungen zeigen die Qualität des Kreuzchores. Immer wieder setzt ein kleiner Akzent Ausrufungszeichen, etwa wenn in „unser lieben Frauen Traum“ das „Herr Jesus Christ der Heiland“ besonders herausgehoben oder betont wird, dass die Rose, die entsprungen ist, mit ihrem hellen Schein die Finsternis vertreibt. Vielleicht musste man diesmal genauer zuhören, auf die leisen Töne achten, um die Aktualität der Adventsbotschaft zu hören. Aber da liegt das Geheimnis des unscheinbaren, hilfsbedürftigen Kindes, das ohnmächtig in die Welt kommt.“
Jens Daniel Schubert | 12.12.2023 | „Dem Kreuzchor lauschen“ | SZ | Seite 7