„Kaum Wünsche offen“ | Vesper mit Vocal Concert Dresden | 14.09.2024
16. September 2024
„In steter Regelmäßigkeit kommt das Vocal Concert Dresden unter Peter Kopp – abgesehen vom traditionellen Einsatz im Brahms-Requiem des Dresdner Kreuzchores – auch zu Vespern in die Kreuzkirche. Das sind jedes Mal Sternstunden der Kirchenmusik, auch diesmal.
Kopp stellt dabei immer Programme zusammen, die es in sich haben, inhaltsschwer, sorgfältig überlegt und in allen Details faszinierend, das herausragendes Können seines Kammerchores ins rechte Licht rückend. In der jüngsten Vesper, am Ende einer ereignisreichen Woche, zum 16. Sonntag nach Trinitatis, stand der „Schatz der Hoffnung“ im Mittelpunkt, nicht nur im Wort zum Sonntag von Superintendent Christian Behr, sondern auch musikalisch. Wie wichtig ist Hoffnung, gerade in unsicheren und schwierigen Zeiten. Doch sie ist nicht einfach da, sondern muss erworben werden, ist das Ergebnis eines Bekenntnisses und natürlich auch festen Gottvertrauens.
Im Wesentlichen hatte sich Kopp für Motetten der Spätromantik, sozusagen im Umfeld von Johannes Brahms entschieden. Von diesem kam mit der Motette „Schaffe in mir Gott, ein rein Herz“ von 1860 zu Gehör. Sie ist ein Ausfluss von Brahms‘ ausführlichen Studien alter Kompositionstechnik. Das Vocal Concert Dresden fühlte sich hörbar wohl, so bei den kanonischen Abschnitten oder den Fugen. Da freute man sich nicht nur über die jubelnde Fuge von „und der freudige Geist erhalte mich“ am Ende, sondern generell (auch in allen anderen Werken) über die lebendige Frische des A-cappella-Gesangs, die Präzision und die gestalterische Empfindsamkeit. Die Mixtur der Stimmen ist perfekt und homogen, intonatorisch natürlich ohne Makel. Da blieb wirklich kein Wunsch offen.
Vesper des Vocal Concert Dresden unter Peter Kopp
Rund um Brahms waren Motetten des 1834 in Quedlinburg geborenen und spät berufenen Thomaskantors Albert Becker gruppiert (sein Dienstherr Wilhelm II. ließ ihn aber nicht von Dannen ziehen) oder auch „Das ist ein köstlich Ding“ von Georg Schumann. Der spätromantische Geist war allgegenwärtig. Hier wurden die Werke so wunderbar durchsichtig und mit emotionaler Reife gesungen, dass sie unter die Haut gingen.
Zeit seines Lebens blieb Hans Fährmann in Sachsen und tat sich vor allem mit Orgelmusik hervor, ansonsten ist er leider vergessen. Seine sieben Sprüche op. 45 sind dem damaligen Kreuzkantor Otto Richter gewidmet. Mit seiner Tonsprache hing er romantischer Farbigkeit und Kraft an. Ein Vergleich mit dem weniger imitatorischen Albert Becker lohnte sich allemal. Auch die Motette „Christus hat dem Tode die Macht genommen“ gelang hier in aller Klangpracht.
Etwas ganz Besonderes beschloss die Vesper dann, nämlich ein Abend-Sonett von Karsten Gundermann, Bestandteil der 2016 erschienenen „Gryphiade“. Andreas Gryphius gilt als einer der bedeutendsten Lyriker des Barock. Wenn man bedenkt, wie viel Vertrauen und Hoffnung aus den in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges geschriebenen Versen spricht, kann man in heutiger Zeit nur Ehrfurcht empfinden. Das Vocal Concert bereitete mit dem oft modernen Ausdruck in diesem stillen, intimen Satz, mit der Intensität der Wiedergabe ein wahrhaft bewegendes Klangerlebnis.
Justin Koch ließ sich an der Orgel mit einer vielfarbigen, kontrastreichen Improvisation über „Veni, Sancte Spiritus“, oft gregorianisch beeinflusst, hören.“
Mareile Hanns | DNN Kultur | 16.09.2024 | „Kaum Wünsche offen“