
„Trauer und Zuversicht“ | Singakademie Dresden | Vesper am 15.03.2025
20. März 2025
„Chorleiter Michael Käppler hatte für die Vesper in der Kreuzkirche mit dem Großen Chor der Singakademie Dresden Werke aus verschiedenen Epochen ausgewählt, die das Thema Tod einschlossen, sich aber nicht nur in Stilen und Epoche unterschieden. Darauf lenkte schon zu Beginn sanft hin, als der Große Chor nach der Orgeleinleitung von Kreuzorganist Holger Gehring zunächst in Anton Bruckners Christus factus est ein Piano anstimmte, das in seinem Umfang beeindruckte – eben ein großer Chor. Bruckners Graduale leuchtete die Singakademie Dresden geradezu expressiv aus, was den Kreuzestod und die Bedeutung Jesu für uns („ward für uns gehorsam bis zum Tod“ […] „Deshalb hat Gott ihn über alle erhoben …“), seine Größe, betonte.
Der Große Chor der Singakademie Dresden war in der Kreuzvesper zu erleben.
Um ganz menschliche Tode in unserer Zeit geht es in Iryna Aleksiychuks „Come, Holy Spirit“. Die Singakademie hatte das Werk bei der ukrainischen Komponistin in Auftrag gegeben und im vergangenen Jahr uraufgeführt. Es ist „gewidmet den lebenden, den toten und den ungeborenen Opfern des Krieges in der Ukraine“. Dass der Tod hier noch nicht verarbeitet ist, spürte man schon zu Beginn, denn das „Alyluia“ (Halleluja), mit dem die Verse jeweils beginnen, ist nicht der frohe Ausruf, wie man es sonst kennt, sondern wurde zur leise, fast beklommen vorgetragenen Bitte. Gerade mit dieser Einfühlsamkeit des Leisen war die Singakademie am Sonnabend äußerst stark. Sie hauchte dem Text, der in Gebetsform („Komm, Heiliger Geist“ […] „Du bist Trost in der Not“) verfasst ist, eine besondere Kraft ein.

Dennoch wirkte „Come, Holy Spirit“ – eben der noch nicht verarbeiteten Trauer wegen – dunkler, in eine unsere Zukunft blickend. Mit Johann Sebastian Bachs Triosonate e-Moll (BWV 528) setzte Holger Gehring ein zwar gedämpftes, sanftes Licht dagegen, dessen letzten Satz aber, schlicht Un poco Allegro bezeichnet, nicht nur im übertragenen Sinne „leuchten“ konnte, es offenbarte sich geradezu als musikalische Aufrichthilfe gegen niedergedrückte Stimmung.
Ganz in diesem Sinne hatte Johann Sebastian Bach die Trauermotette „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ (BWV Anhang 159 / neu: 1165) verfasst. Denn wie die Singakademie bewies, wohnte der Musik eine belebende Leichtigkeit inne, zunächst in Zweichörigkeit mit Echo-Wiederholungen, schließlich mit den Verschlingungen von Lied- und Choraltext („Weil du mein Gott und Vater bist“).

Ebenfalls doppelchörig folgt die Motette „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ (BWV 226) einer anderen Entwicklung. Zwar zählt sie zu den Festmusiken zu Leipziger Universitätsfeiern, verweist aber im Text auf das Trostbedürfnis und das Ringen „durch Tod und Leben“. Weniger das Gegenüber der Chörigkeit als die kraftvolle Steigerung der ersten Strophe beeindruckte hier – „aufhelfen“ heißt eben, dass es „nach oben“ gehen soll. Und das hatte Bach musikalisch dargestellt, wurde nun spürbar. Wieder folgte der beruhigende Choral („Du heiige Brunst, süßer Trost“)
Das Trostbedürfnis („Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind“) griff Holger Milkau im Wort zum Sonntag auf, in dem er noch einmal den Jahrestag des Ukrainekrieges einbezog, jedoch darüber hinausging – die sprichwörtliche Schwachheit, Entkräftigung, sei auch außerhalb des Krieges zu spüren. Das beeindruckende Werk von Iryna Aleksiychuk war außerdem ein vergleichendes Beispiel, dass Sprachlosigkeit nicht Hilflosigkeit ist.

Manchmal sind die Lichtblicke kleine, große Anlässe, so wie Bachs Ein-wenig-Allegro aus der Triosonate. Nach dem Segen hielt Holger Milkau kurz inne, um einer Besucherin, einem Gemeindeglied der Kreuzkirche, zum 101. Geburtstag zu gratulieren.
Nachdem Holger Gehring die beiden Bach-Motetten an der Wegscheider-Orgel begleitet hatte, verabschiedete die Singakademie die Gemeinde mit einer weiteren Motette, Felix Mendelssohns leuchtkräftigem „Jauchzet dem Herrn alle Welt“ (WoO 28, 100. Psalm) a cappella.
Wolfram Quellmalz | 19.03.2025 | DNN Kultur | „Trauer und Zuversicht“

