„Letzte Kreuzchorvesper des Jahres“ | die Silvestervesper des Dresdner Kreuzchores 2024
3. Januar 2025
Silvestervesper des Dresdner Kreuzchores: „Viele Jahre hatte in der Kreuzchorvesper zu Silvester Kantate V aus Bachs Weihnachtsoratorium auf dem Programm gestanden. Für das zu Ende gegangene Jahr hatte Kreuzkantor Martin Lehmann ein anderes entworfen, das sich als äußerst stimmig und im positiven Sinne zeitgemäß erwies.
Dresdner Kreuzchor singt Bachs Ratswahlkantate
Das begann schon mit dem Einzug, dem Kreuzorganist Holger Gehring den Gestus „Von guten Mächten“ an der Jehmlich-Orgel mit wachsender Menge Licht oder Kraft verlieh. Das erste Chorstück war eine Rückbesinnung auf die jüngere Saat: Mit dem Introitus von Wilfried Krätzschmar hatte vor drei Jahren die Reihe der Auftragskompositionen zu den Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres begonnen. „Für den Altjahresabend“ erklang mit der nun schon gewohnten ungleichen Chorteilung sowie Tenorsolo wieder und stand durch seinen innigen Charakter für eine alle umschließende musikalische Geste.
Max Reger tritt in seinen Werken von expressiver Romantik bis zu schlichten Bearbeitungen sehr unterschiedlich auf. „Das alte Jahr vergangen ist“ (aus „Zwölf deutsche geistliche Gesänge“) erwies sich mit seinem Choralcharakter als ganz besonders eingängig, nahbar. Die beiden ersten Werke hatte übrigens Sebastian Herrmann, seit 1. Oktober neuer Chordirigent des Kreuzchores, geleitet.
Musikalisch sorgten Krätzschmar, Bach und Händel für die Programmpunkte in der Dresdner Kreuzkirche zu Silvester.
Das Kantatenwerk, Johann Sebastian Bachs „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“ (BWV 29) übernahm aber wieder Martin Lehmann. Eine geistliche Kantate, die zur Leipziger Ratswahl entstanden war und somit weltliche Macht und geistliche Gedanken vereint. Die festliche, von Trompeten geschmückte Sinfonia mit ihrer feingliedrigen Orgelbegleitung (Continuoorgel: Lukas Pohle) erinnerte in ihrer lebendigen Wiedergabe durch die sinfonietta dresden ein wenig an Händels Concerti. Effektvoll ließ Bach den festlichen Glanz aber nicht überschießen, sondern brachte ihn mit dem Chor „Wir danken dir, Gott“ zur Besinnung. Der Kreuzchor fand hier einen Punkt der Ruhe und Kontemplation.
Von Solisten der sinfonietta begleitet (vor allem Violine und Oboe, Basso continuo in Violoncello und Orgel) sorgten die Solisten für eine ausdrucksstarke Verbindung von „Halleluja, Stärke und Macht“ (Tenor: Jonas Finger), während die Sopran-Arie „Gedenk an uns mit deiner Liebe“ (Marie Hänsel) von Brillanz geprägt war. Bass Cornelius Uhle hatte dazwischen gezeigt, dass man ein Rezitativ („Gottlob! Es geht uns wohl!“) nicht nur melodiös anreichern, sondern diese Melodiösität noch bis in die Tiefe bewahren kann. Jonathan Mayenschein (Altus) beeindruckte mit seiner zwar kraftvollen Stimme, die aber dem Rezitativ „Vergiss es ferner nicht“ eine umspannende Milde ließ. Zudem standen ihm als Coro die übrigen Solisten ausgeglichen gegenüber, was noch einmal die Stimmigkeit des Quartetts hervorhob. Das Umfassende, Umschließende zeigte sich auch im Choral (Kreuzchor und Solisten).
Holger Milkau nahm in seinem Wort zum Jahreswechsel Bachs Text „Gottlob! Es geht uns wohl!“ auf und stellte eine Brücke zwischen historischem Anlass und unserer Zeit her. Wohlstand und Wohlergehen – gerade im Vergleich mit anderen Ländern – dürfe Anlass sein zum Mitmachen und Mitdenken.
Holger Gehring hatte nach dem Gemeindegesang (EG 58 „Nun lasst uns gehen und treten“) die „Gelobet seist du, Jesu Christ“ von Dieterich Buxtehude (BuxWV 188) eingefügt, eine Choralphantasie, die sich zunächst in Ruhe entfaltete und variierte, öffnete, kurz innehielt, worin aber nicht ein Schluss- sondern ein Ausgangspunkt lag für den freiesten Abschnitt, den Holger Gehring mit dem Zimbelstern betonte.
Die letzten beiden, nochmals zusammenschließenden Punkte der Vesper kamen erneut vom Kreuzchor. Bach hatte den Eingangschor von BWV 29 (1731 geschrieben) später noch umgearbeitet und für seine h-Moll-Messe (BWV 232) verwendet. Diese Neufassung kam mit dem Dona nobis pacem aus jener Messe noch einmal zum Klingen und brachte den wohl wichtigsten Neujahrswunsch auf den Weg, welcher durch Georg Friedrich Händels „Hallelujah“ (aus Messiah HWV 56), wiewohl ursprünglich kein rein sakrales Oratorium, bekräftigt wurde.
Am kommenden Sonnabend, 17 Uhr, gestaltet die Capella Sanctae Crucis Dresden die Kreuzvesper zu Epiphanias unter anderem mit Georg Philipp Telemanns Kantate „Stern aus Jakob, Licht der Heiden“ (TWV 1:1398).“
Wolfram Quellmalz | 02.01.2024 | DNN Kultur | „Letzte Kreuzchorvesper des Jahres“