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„Weihnachten und Jahresausklang – Silvester in der Dresdner Kreuzkirche“


3. Januar 2024

„An Silvester (also wirklich am Tag, nicht zu Silvester) scheiden sich manche Geister – schließlich ist der Jahresausklang nicht einmal ein Feiertag, ganz im Gegensatz zu Neujahr. Selbst in den Tagebüchern von Samuel Pepys, in dem es viele Feier- und Fastentage gibt, spielt Silvester praktisch keine Rolle. Dabei hat der Name einen christlichen Ursprung, denn er wurde nach Silvester I. benannt, also einem Heiligen wie JohannisMartin oder Nikolaus. Mit unseren Silvesterbräuchen hat dies jedoch wenig gemein.

Doch es scheint sich auch einiges zu wandeln. Denn das Feuerwerk, in den letzten Jahren zu einer Böllerei geworden (oder verkommen), die mehr laut als bunt und schön ist, stand im vergangenen Jahr mehr in Frage als sonst. Lag es daran, daß die Dresdner Innenstadt zwar nicht ruhig war, aber daß man noch spät abends in der Kreuzkirche Musik hören konnte, ohne permanent Donnerschläge von draußen zu vernehmen?

Zwar ließen wohl sich manche vom Tumult abschrecken, die den Abend lieber zu Hause verbrachten, doch die Zahl derer, die sich auf den Weg machten, die letzte Vesper des Jahres und vor allem abends den Ausklang mit Orgel, Pauken und Trompeten zu hören, überwog, und somit blieb auf der Haben-Seite der musikalische Zugewinn.

Weihnachten und Jahresausklang – Silvester in der Dresdner Kreuzkirche

Mit der fünften Kantate aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium war die Kreuzchorvesper bereits auf das neue Jahr ausgerichtet (die Kantate ist für den ersten Sonntag des neuen Jahres geschrieben). Und Händels »Hallelujah«, wiewohl im Messiah (HWV 56) am Abschluß des Passionsteils stehend, war wohl weniger »zielgerichtet« aufzufassen, als daß es Freude und Hoffnung mitten im Weihnachtskreis und mit Blick in die Zukunft formulierte.

Kreuzkantor Martin Lehmann hatte die Vesper wie immer mit einem Introitus begonnen. Diesmal allerdings keiner Uraufführung, denn für die Silvestervesper hatte Wilfried Krätzschmar ja bereits einen geschrieben. Die Wiederaufführung des Introitus für den Altjahresabend stand somit ganz im Sinne einer Etablierung – Introitus wollen nicht nur einmalig »in die Welt gesetzt« sein, sondern auch gepflegt werden. Abgesehen davon erweisen sich Wilfried Krätzschmar Kompositionen immer wieder als Bereicherung und gewähren einen Wortzugang.

Neben den Solisten Heidi Maria Taubert (Sopran), Marie Bieber (Alt), Florian Sievers (Tenor) und Andreas Scheibner (Baß) stand dem Kreuzchor diesmal – an diesem Tag ebenso traditionell – die Sinfonietta Dresden zur Seite. Unter Martin Lehmanns Leitung durfte der Chor erneut – besonders spürbar bei Händel – die Alte Musik angemessen romantisch auffassen – ein Hörgewinn! Dieser lag nicht weniger auf Seiten der Solisten. Maria Taubert und Andreas Scheibner füllen ihre Rollen seit langem sicher aus, Marie Bieber hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Mit ihrer gestalterisch großartigen und ausdrucksstarken Darstellung ist sie mittlerweile in einen ganz kleinen, exklusiven Kreis von Altistinnen in der Region aufgerückt. Dabei trat sie solistisch nur in Rezitativen hervor sowie im Terzett mit Sopran und Tenor – man darf sich also auf kommende Passionen oder Oratorien mit ihr freuen! Nicht weniger begeisterte Florian Sievers als mühelos agierender und affektvoller Evangelist (wie beim »Erschrecken« Herodes‘). Die Sinfonietta Dresden hob derlei ebenso hervor, etwa in der Arie »Erleucht auch meine finstre Sinnen«, in der sich zum Baß nicht nur eine Oboe gesellt, sondern auch Fagott und Violoncello im Basso continuo die Aufregung unterstrichen.

Superintendent Christian Behr hatte den Rück-und Ausblick natürlich in sein Wort zum Sonntag aufgenommen, nutzte die Gelegenheit, allen, die an einer Vesper mitwirken, bis zu den ehrenamtlichen Helfern, noch einmal zu danken.

Mit Eric Whitacres Lux aurumque und Max Regers »Das alte Jahr vergangen ist« fand der Kreuzchor in einen schönen, bedachtsamen Ausklang, das Dona nobis pacem von Johann Sebastian Bach (aus BWV 232) formulierte (erneut) einen derzeit besonders innigen und dringenden Wunsch.

ABENDKONZERT

Zwischen Weihnachten und Neujahr hatte César Francks Pastorale Opus 19, von Kreuzorganist Holger Gehring an der großen Jehmlich-Orgel interpretiert, im Vesperprogramm Platz gefunden und das Wiegen bzw. andächtige Ruhe mit belebendem Toccata-Klängen im zweiten Teil verbunden.

Für den Abend hatte sich Holger Gehring die Verstärkung des Dresdner Trompeten Consorts (Leitung: Mathias Schmutzler) und von Huon Bourne Blue (Pauken) gesichert. Das traditionelle Silvester-Orgelkonzert war wieder ausverkauft, die Kreuzkirche bis auf den letzten Platz besetzt. Neben festlichen Stücken, die immer im Programm stehen, wie Marc-Antoine Charpentiers Prélude aus dem Te Deum oder Georg Friedrich Händels Music for the Royal Fireworks (viel schöner als jede Böllerei draußen!) mischen sich neue und arrangierte Titel, darunter die Dresden-Fanfare von Thorsten Pech sowie Pie Jesu und das Titelthema aus The Phantom of the Opera (Bearbeitung: Helmut Fuchs) von Andrew Lloyd Webber.

Orgelpuristen kamen vor allem mit der Fuga G-Dur (»Gigue-Fuge« BWV 577) von Johann Sebastian Bach oder Marcel Duprés Orgelbearbeitung der Sinfonia aus der Kantate »Wir danken dir, Gott, wir danken dir« (BWV 29) auf ihre Kosten.

Natürlich durfte – tutti! – Edward Elgars Marsch Nr. 1 aus Pomp and Circumstance nicht fehlen. Der Dresdner Orgelzyklus beginnt am 7. Februar (Olivier Latry im Kulturpalast), eine Woche später kehrt er zum ersten Mal in der Kreuzkirche ein. Dann spielt Kreuzorganist Holger Gehring gleich noch einmal nicht allein – für »Legenden der Romantik« sind die Dresdner Turmbläser eingeladen.“

1. Januar 2024 | Wolfram Quellmalz | Weihnachten und Jahresausklang | NMB

Dresdner Trompeten Consort
Dresdner Trompeten Consort 2023 (c) Kreuzkirche Dresden
Dresdner Trompeten Consort, Silvester in der Kreuzkirche Dresden
(c) Kreuzkirche Dresden