„Ostergrüße“ – Orgelkonzert mit Kreuzorganist Holger Gehring
5. April 2024
Orgelkonzert: „Holger Gehring spielt beim Orgelzyklus Werke von Bach, Pierné, Widor und Langlais.
Beim Vorgespräch in der Heinrich-Schütz-Kapelle der Kreuzkirche waren manche wohl gespannt, was diesmal passieren würde. Denn Kreuzorganist Holger Gehring spielte selbst das Konzert und schien ad hoc keinen Gesprächspartner zu haben. Der kam mit dem Physiker Pierre Schuy aber doch. Der nebenberufliche Organist, der mit einem sogenannten „C-Schein“ als Kirchenmusiker befähigt ist, Gottesdienste zu begleiten, gehört zu den 26 Teilnehmern des 48. Interpretationsseminars für nicht hauptberuflich tätige Organisten, der gerade in der Region stattfindet.
Die Naturwissenschaften liegen übrigens gar nicht so weit von der Musik, wie mancher glaubt. Schließlich sind viele der Werke Bachs geradezu mathematische Rätsel, den Physiker wiederum hatte nicht zuletzt die Frage der Tonerzeugung und Akustik von Orgeln gereizt.
Orgelkonzert mit Kreuzorganist Holger Gehring
Für das Konzert hatte Holger Gehring zunächst Werke Johann Sebastian Bachs ausgewählt, die sich per Choralthema direkt auf Ostern beziehen, oder aber einen öffnenden Charakter haben. So wie Praeludium et Fuga D-Dur (BWV 532), das sich in Stufen fröhlich nach oben schwang. Mit Choralbearbeitungen aus dem Orgelbüchlein (BWV 625 bis 630, aber nicht chronologischer Folge) versetzte Bach die Kreuzkirche in verschiedene Stimmungen zwischen gedämpft („Erstanden ist der heilge Christ“), mit pastoralem Schimmer („Jesus Christus, unser Heiland“) bis zum frohen, vom Zimbelstern begleiteten „Christ ist erstanden“.
So konzentriert auf Bach im Zentrum von Ostern blieb es nicht. Vielmehr weitete Holger Gehring den Orgelkosmos in französische und sinfonische Welten. Mit Gabriel Piernés Prélude und Cantilène aus op. 29 wandelte sich der Klang sogleich vollkommen, schloss die Melodie (wie einen Choral) in Wellenmotiven sinfonisch ein. Das sinfonische Moment bzw. die Verwebung von Thema und Stimmung war nicht nur beim Hören nachzuvollziehen, sondern konnte auch beim Öffnen und Schließen des Schwellwerks beobachtet werden.
Mit drei Sätzen aus der Symphonie Romane op. 73 von Charles-Marie Widor vollzog Holger Gehring wie von Bach zu Pierné erneut einen Klangwechsel, der jetzt mehr Bläserstimmen, fast schon Fanfaren, enthielt. Vorübergehend wurde im Choral ein Liedcharakter vordergründig, meist aber nahmen die schiere Größe, der „Farbumfang“ und die vielen Schattierungen gefangen.
Eine Art Gefangennahme kann man auch Jean Langlais’ Incantation pour un jour Saint (auch Lumen Christi / Christus, das Licht) bestätigen, denn in seiner Ornamentik und Modernität überflügelte er Widor noch um einiges. Die Bezeichnung „flächig“ ist für Klänge durchaus geläufig, bei Langlais ist man geneigt, sie kubistisch zu nennen. Das war an sich schon an- und aufregend und legte Vergleiche etwa zu Olivier Messiaen nahe, der ein Kommilitone Langlais‘ gewesen ist. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass sich sowohl Widor als auch Langlais in ihren Werken auf die Gregorianik besonnen hatten, freilich ohne diese als leicht erkennbares Zitat einzuflechten.
Schließt man nach dem Applaus, war Piernés Modernität offenbar niemandem zu fremd oder zu „schräg“. Mit der Zugabe, einem Allegro in D des früheren Kreuzkantors Gottfried August Homilius, gab es einen in jeder Hinsicht vergnüglichen Ausklang.“
Wolfram Quellmalz | 05.04.2024 | DNN Kultur | „Ostergrüße“