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Britannien und Abschied – Orgelkonzert mit Ansgar Schlei


26. April 2024

„Orgelkonzert von Ansgar Schlei in der Kreuzkirche stand im Zeichen von Samuel Kummer – Der Programmtitel „Very British“ weist durchaus auf ein etwas anderes Orgelkonzert hin. Schon deshalb, weil sich die Instrumente auf der Insel in der Bauform und manchen für den Klang wesentlichen Eckdaten wie dem Winddruck von unseren unterscheiden. Andererseits hat es schon immer Komponisten und Organisten gegeben, die Insel und Kontinent verbanden, man denke allein an Georg Friedrich Händel oder Felix Mendelssohn. In der Vergangenheit zumindest hatten „britische“ Programme im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus stets für besondere Akzente gesorgt, Repertoirebereicherungen von Purcell und Byrd bis zu zeitgenössischen Stücken wie James MacMillans „Gaudeamus in loci pace“ präsentiert. Am Mittwochabend in der Kreuzkirche durfte man also auf die Souvenirs von Domorganist Ansgar Schlei (Wesel) gespannt sein. Viel Aufmerksamkeit hatte er, wie Schlei im Vorgespräch verriet, der Registrierung gewidmet, denn der etwas andere Orgelklang in Großbritannien sorgt für einen fülligen, reichen, jedoch nicht dominanten Ton, der gar nicht so einfach nachzustellen ist. Ob es ihm gelungen war?

Orgelkonzert mit Ansgar Schlei in der Kreuzkirche

Doch bevor diese Frage beantwortet werden konnte, hatten Kreuzorganist Holger Gehring und Domorganist Sebastian Freitag als derzeitige Verantwortliche der Reihe sowie der ehemalige Domorganist Thomas Lennartz dem Publikum die traurige Nachricht zu übermitteln, dass ihr Freund und Kollege Samuel Kummer am Abend des Vortages plötzlich verstorben war – eine Nachricht, die nicht nur jene, welche die wenige Stunden alte Meldung noch nicht vernommen hatten, fassungslos aufnehmen mussten.

Kummer gehörte nicht nur wegen seiner Improvisationskunst zu den höchst geschätzten Organisten, sondern hatte als Initiator auch Orgelreihen in Dresden wie jenen Zyklus, zu dem das Abendkonzert zählte, ins Leben gerufen. In der Kreuzkirche hatte er 2022 in einem Benefiz-Konzert für die Ukraine mitgewirkt sowie im Rahmen des Orgelsommers 2022 gespielt. Vor knapp einem Jahr trat er letztmalig im Rahmen des Orgelzyklus‘ auf. In der Hofkirche verband er damals unbeschwert und gekonnt drei Generationen: Neben Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach waren Werke von Johann Sebastians Schüler Johann Christian Kittel sowie seines Enkelschülers Christian Heinrich Rinck zu hören. Eine sehr freie Improvisation hatte sein Programm ergänzt.

Die drei Organisten verwiesen auf die „tragisch Lücke“, die Kummers Tod menschlich wie musikalisch bedeute, und gedachten mit dem Publikum still sowie mit dem Text „wie lieblich sind deine Wohnungen“ (Psalm 84, unter anderem in Johannes Brahms‘ Requiem) ihres Kollegen. Um dies mit Musik zu unterstreichen und einen Übergang zu schaffen, hatte Schlei „I Vow to Thee, My Country“ (Holst / Howell) vor das eigentliche Programm eingefügt.

Danach in den normalen Konzertablauf zurückzukehren, fiel schwer. Dabei konnte man zunächst feststellen oder erinnert werden, dass hier ein Original und keine Bearbeitung erklang. Denn Jeremiah Clarkes „Trumpet Voluntary“ kennen wir in der Regel mit einer Trompete, die von der Orgel begleitet wird. Jedoch ist gerade das die Adaption, denn Trumpet Voluntarys sind Stücke für Tasteninstrumente, die mit den Trompetenregistern „spielen“, um deren Charakter zu erzeugen.

Spielerisch, leicht und teilweise regelrecht vergnügt klangen auch weitere Titel – trotz systematischer Satzbezeichnungen wie der immer wiederkehrenden Toccata. Christopher Tamblings „Suite for Organ“ enthielt sie ebenso wie William Ralph Driffill Suite in f-Moll. Am nachfühlbarsten wurde die Frage der Registrierung und der „weichen, runden, fülligen“, jedoch nicht dominierenden englischen Register in Ralph Vaughan Williams „Rhosymedre“. Ein schimmerndes Kleinod, das an diesem besonderen Abend wegen seiner Ruhe vielleicht den tiefsten Eindruck hinterließ.

Nachdem Christopher Tambling unter anderem mit weiteren Trompetenklängen (Trumpet Variations) und einem hervorgehobenen Elgar-Zitat für Abwechslung gesorgt hatte, zeigte Charles Villiers Stanford, ein Jubilar dieses Jahres (1924 verstorben) mit dem Intermezzo on an Irish Air eine andere Leichtigkeit. Nachdem mit „Rhosymedre“ eine walisische Hymne angeklungen war, war die Insellandschaft „Very British“ noch ein wenig vollkommener.“

Wolfram Quellmalz | DNN Kultur | 26.04.2024 | Britannien und Abschied

Orgelkonzert mit Ansgar Schlei, Dresdner Orgelzyklus
Orgelkonzert mit Ansgar Schlei, Dresdner Orgelzyklus