
„Frischer Wind beim Orgelsommer“ | Konzert mit Christiane Bräutigam am 2. August 2025
6. August 2025
Konzert zum Orgelsommer: „Eine dreiviertel Stunde ist knapp, wenn es darum geht, ein anregendes Programm mit Orgelmusik zusammenzustellen, das mehr bietet als nur verschiedene Ausschnitte oder den Reiz des Unterschiedlichen. Im sechsten Konzert des Orgelsommers in der Kreuzkirche ist dies Christiane Bräutigam (Torgau) jedoch auf verblüffende Weise gelungen.
Mit Johann Sebastian Bachs Fantasie G-Dur (BWV 572) hatte sie einen sommerlich-fröhlichen Auftakt gewählt, der die Töne wie eine Fontaine sprudeln ließ, die stattlich anschwoll. Die Choralbearbeitung über das Lied „Es spricht der Unweisen Mund wohl“ (BuxWV 187) von Dietrich Buxtehude wirkte mit seinem sehr getragenen Rhythmus wie eine Beruhigung und stellte die Liedzeilen in den musikalischen Vordergrund – eine gute Kombination um das Ferienpublikum erst einzufangen und dann die Gedanken zu fokussieren.
Orgelkonzert mit Christiane Bräutigam
Denn mit Johann Sebastian Bachs Concerto in d (BWV 596) nach Antonio Vivaldis Violinkonzert RV 565 gab es dann eine der meistgespielten Orgelbearbeitungen zu hören. Und siehe da – die Tempi überraschten, denn Christiane Bräutigam wählte gerade für die Allegro-Sätze ein eher gemäßigteres Voranschreiten. Für manche überraschend, war aber genau das „orgelgerecht“, ließ zu, dass sich die Bearbeitung als eigenständiges Orgelwerk entwickeln konnte, während bei der sonst schnelleren Gangart oft der Eindruck entsteht, dass die Orgel hinter dem ursprünglichen Violingestus Vivaldis zurückbleibt.
In der Kreuzkirche präsentierte Christiane Bräutigam Musik von Bach, Vivaldi und Mendelssohn, aber auch aus der eigenen Familie
Insofern konnten aber auch die Verzierungen „neu“ leuchten, neu gehört werden – eine äußerst geschmackvolle Darbietung! Somit konnte Bachs Concerto das Attribut einer Bearbeitung teilweise abstreifen und mehr wie ein Original wirken. Im sehr gesanglichen Largo e spiccato trat vermutlich die Handschrift der Kantorin hervor – als Kirchenmusikerin und Chorleiterin ist Christiane Bräutigam dem Gesang nicht weniger verpflichtet als der Orgel als Instrument.

Auch im folgenden Stück blieb sie sich treu: Der oft als „evangelischer Urkantor“ bezeichnete Johann Walter war ab 1525 bis zu seinem Tode Komponist der Kursächsische Hofkapelle in Torgau und damit Vorgänger von Christiane Bräutigam in der Renaissancekirche. Die Organistin improvisierte über Choralthemen von Johann Walter, wobei sie gleich wieder überraschte, indem sie vor allem freie harmonische Formen präsentierte.
Mit tremolierenden Renaissanceregistern und Akkordeonharmonik steigerte Bräutigam den Klang in strahlende Höhen. Zwar zitierte sie die Choräle, sogar Zeilen- und Silbenweise, doch wesentlich blieben der Klang und der freie Umgang damit bis in eine einnehmende, raumergreifende Fülle.
Nach einer solch „harmonischen Anregung“ betonten Felix Men- delssohns Präludium und Fuge c-Moll (MWV W 21 und 18) weniger die Struktur als die sinnliche Gesamt- heit der Stimmung. Trotzdem überwog in der Fuge das Gefühl „fro- hen Mutes“ wie eine deutliche Aussage.
Mit der Toccata über das Kirchenlied „Christ lag in Todesbanden“ wendete sich Bräutigam einem Werk ihres Vaters Volker Bräutigam zu. Im Umgang mit Motiven und Harmonik konnte man wohl eine Verwandtschaft zwischen der Improvisation zuvor und der Toccata erkennen, vor allem aber überzeugte letztere mit ihrer Eigenständigkeit und Modernität, die von Clusterakkorden, einem freien Umgang mit dem Thema, jazzigen Rhythmen und einem sinfonischen Finale gekennzeichnet war.“
04.08.2025 | Wolfram Quellmalz | DNN Kultur | „Frischer Wind beim Orgelsommer“

