
Jehmlich Orgelbau | „Orgelbauer kämpft für seine 200 Jahre alte Firma“ | 16.09.2025
21. September 2025
Jehmlich Orgelbau Dresden. „In einer Kirche herrscht meist andächtige Ruhe. Doch wenn die Orgel ihre Stimme erhebt, verwandelt sich der Raum: Töne wandern durch die Hallen, mal sanft wie ein Flüstern, mal kraftvoll wie ein Gewitter. Doch dahinter steckt eine für die Kirchengäste unsichtbare Welt aus Holz, Metall und Mechanik. Es sind Menschen, wie Ralf Jehmlich, die dafür sorgen, dass dieses uralte, gigantische Instrument nicht aus den Kirchen verschwindet.
Jehmlich Orgelbau in der Kreuzkirche
Jehmlich ist Orgelbauer in einem Familienunternehmen der sechsten Generation. Bis ins Jahr 1808 reicht die Geschichte der Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH zurück, seit 2006 ist Ralf Jehmlich der Chef. Unter ihm arbeiten 15 Handwerker weltweit, entweder am Neubau von Orgeln oder an der Restaurierung von historischen und denkmalgeschützten Instrumenten. Aufträge kommen aus Dresden und der Region, aber auch aus Taiwan, Norwegen, den USA oder Japan. „Die liebsten Kinder sind mir aber die heimatlichen Orgeln“, sagt Jehmlich und lacht.
Der Orgelbau ist immaterielles Kulturerbe, doch Kirchenschließungen fordern das Handwerk heraus. Orgelbauer Ralf Jehmlich über aktuelle Probleme.
An diesem Tag steht er in der Kreuzkirche, wo die größte Orgel der Landeshauptstadt zu Hause ist. 80 Register, die aus einer Reihe von Pfeifen bestehen. Aus insgesamt 6300 „Mündern“ tönen die verschiedensten Klänge. Die kleinste Pfeife misst nur wenige Millimeter, die größte von ihnen ist knappe zehn Meter hoch. Die Orgel stammt aus eigener Unternehmenshand, erklärt der Orgelbauer. Anfang nächsten Jahres wird das Instrument saniert und die Technik modernisiert.

Eine Orgel bauen – dazu gehört weit mehr, als nur ein paar Pfeifen aneinander zu reihen: vom Akustikbau, über Architektur, bis hin zur Mechatronik. „Es ist eine ganze Menge, was unsere Lehrlinge hier in dreieinhalb Jahren lernen“, sagt Ralf Jehmlich. Insgesamt drei Azubis hat der Handwerksbetrieb derzeit, einen in jedem Lehrjahr.
Der Nachwuchs ist also vorerst gesichert. Wie es zukünftig mit dem Handwerk weitergeht, was von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde, ist jedoch ungewiss. „Die Situation der Kirchen bereitet uns Sorgen“, sagt Jehmlich. Immer mehr Gotteshäuser würden ihren Dienst aufgeben, die Orgeln darin nicht mehr gepflegt. „In
mehr als 200 Jahren Firmengeschichte ist das eine der dramatischsten Situationen für uns.“ Immer wieder habe es Krisen gegeben, doch nun habe Jehmlich große Angst um die Kultur.

Auch politische Entscheidungen bedrohen das Handwerk. So stand der Orgelbau kurz vor dem Aus, als die EU ein Bleiverbot diskutierte – ein Material, das für Metallpfeifen unverzichtbar ist. Nur eine Ausnahme rettete das Handwerk. „Ohne die gäbe es heute keine neuen Orgeln mehr und auch keine Restaurierungen“, sagt Jehmlich.
Orgelbau findet noch Nachwuchs
Neben diesen großen Fragen gibt es auch alltägliche Probleme im Betrieb: So schlagen sich die Auszubildenden mit der Suche nach günstigem Wohnraum herum. Diese arbeiten drei bis vier Monate vor Ort, dann müssen sie immer wieder für ein paar Wochen in die Nähe von Stuttgart, wo sich ihre Berufsschule befindet. Thema ist auch die boomende Chipindustrie im Dresdner Norden, die enorm viele Leute fordert. „Ich habe langfristig Angst um die mittelständischen Unternehmen“, sagt er.
Trotz aller Hürden und Herausforderungen ist sich Ralf Jehmlich sicher: „Für mich ist Orgelbauer einer der schönsten Berufe, den man haben kann.“ Sein Betrieb habe in diesem Jahr schon einige spannende und einzigartige Projekte umsetzen dürfen. So wurde zum Beispiel die Orgel in der Meißner Frauenkirche um ein Brüstungswerk
erweitert – mit Pfeifen aus Meißner Porzellan. Weltweit sei das die erste ihrer Art. Es ist ein Beispiel dafür, wie traditionelles Handwerk und kreative Innovation zusammenfinden, um der Orgelbaukunst immer wieder neues Leben einzuhauchen.“
20.09.2025 | SZ Lokales | Celina Kintopp | „Orgelbauer kämpft für seine 200 Jahre alte Firma“

