Hugo Distler: Totentanz | Konzert zum Ewigkeitssonntag | 24.11.2024
27. November 2024
Hugo Distler – Totentanz – in der Kreuzkirche Dresden: „In Zeiten, in denen sich alles nur noch um Glühwein, Kommerzrausch und Weihnachtsmärkte dreht und das immer weiter vorverlegt wird, hat so ein stiller Sonntag wie der Ewigkeitssonntag kaum noch Platz. Da tat es gut, dass das Vocal Concert Dresden unter Peter Kopp zu einem so ganz besonderen Konzert in die Dresdner Kreuzkirche einlud und sehr viele Menschen diesem Ruf folgten.
Musik und Texte zu Leben und Tod
Zu den Besonderheiten dieses Ensembles im Verbund mit Peter Kopp, ja man kann es schon als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen, gehören seine sehr speziellen, gründlich durchdachten und auf den Punkt gebrachten Programme. Man denke nur an die Konzerte „Voices for Today“, von denen jedes ein Ereignis war. Hier nun schlug Kopp einen Bogen von der geistigen Nähe zweier Komponisten – Ernst Pepping und Hugo Distler – zum Nationalsozialismus und der dennoch vorhandenen, musikalischen Qualität ihrer Werke, die noch immer ihre Hörer faszinieren und einen Stammplatz im Chorrepertoire haben. Es gibt eben kein Schwarz-Weiß-Denken.
Hugo Distler: Totentanz | Konzert zum Ewigkeitssonntag
Dem Tag entsprechend standen Gedanken zu Tod und Leben im Zentrum, welchen sich die Beteiligten ebenso sinnfällig wie behutsam und tiefschürfend näherten: Sinn und Erfüllung eines Menschenlebens, die Facetten und die Bedeutung des Todes und über allem Gottes Allmacht. Die berührende Wirkung des Konzertes kam aus seiner unverstellten Ausdruckskraft, aber auch aus dem perfekten Zusammengehen von gesprochenen Texten und sehr fein ausgeleuchteten musikalischen Akzenten (hier kam noch die Soloflötistin der Sächsischen Staatskapelle Dresden Sabine Kittel dazu).
Plausibel differenziert und aussagekräftig kam Ernst Peppings Vertonung „Ein jegliches hat seine Zeit“ zu Gehör, in kristalliner Durchsichtigkeit der Psalm „Unser Leben währet siebnzig Jahr“. A-Cappella-Gesang in Idealform!
Das Vocal Concert Dresden musizierte am Totensonntag in der Kreuzkirche
Mit ihrer prägnanten Lesart von Karl Kraus’ „Todesfurcht“ nahm Claudia Michelsen für sich ein, während Ahmad Mesghara auf den sprachgewaltigen Barockdichter Andreas Gryphius zurückgriff. Dessen Leben war durch die Grauen des Dreißigjährigen Krieges geprägt, was sich auch in der „Letzten Rede eines Gelehrten aus seinem Grabe“ widerspiegelt. Sabine Kittel spielte als Finale den Kopfsatz aus der Suite op. 98 des Schweizers Willy Burkhard – mit viel Wärme und Schmelz interpretiert.
Die uralte Metapher des Totentanzes bildete das Kernstück des Abends. Verse aus dem „Cherubinischen Wandersmann“ von Angelus Silesius (17. Jhdt.) dienten Hugo Distler, der erst 26 Jahre alt war, als er seine Version schrieb, als Vorlage, wozu noch ein Dialog zwischen Sprechern und Flöte kam, den Johannes Klöcking nach dem Lübecker Totentanz entwarf. Herausgekommen ist eine äußerst kraftvolle, farbenreiche Fassung des alten Reigens um die Vergänglichkeit des Menschenlebens. Mit feiner Hand und klanglich vollkommen vertiefte sich der Chor in seine vierzehn Sprüche. Für den abwechslungsreichen Dialog zwischen dem machtvollen Tod (Claudia Michelsen) und Ahmad Mesgarha als Betroffener – vom Kaiser bis zum Säugling – in seiner letzten Stunde fanden beide die zutreffenden Charakterisierungsvarianten. Bereichert wurde das Ganze durch feinsinnige Flötenvarianten über „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“, die Kittel makellos zauberte. Eine in jeder Phase fesselnde, in sich geschlossene Wiedergabe!“
Mareile Hanns | 26.11.2024 | DNN Kultur | „Musik und Texte zu Leben und Tod“