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„Hammerschmidts umwerfende Wirkung“ | Dresdner Kreuzchor in der Vesper am 8. November 2025


11. November 2025

„Dresdner Kreuzchor pflegt musikalisches Erbe: Ein (musikalische) Erbe ist nicht erst jenes, das nach Jahrhunderten anerkannt wird, es beginnt schon im Heute. Insofern gehört Agnes Ponizils Introitus für den drittletzten Sonntag des Kirchenjahres, das vor zwei Jahren uraufgeführt wurde und am Sonnabend wieder erklang, bereits dazu. Das deklamierende »Gerechtigkeit, Frieden«, das die Worte aus Psalm 85 rahmte, klang jetzt vielleicht noch eindringlicher. Der Psalmtext selbst (»Herr, zeige deine Gnade und gib uns Heil …«) bezog eine große Kraft aus der Spannung, die sich aus dem Abstand der Knaben- und der Männerstimmen ergab sowie aus dem Wechsel kontemplativer, schwebender Momente und solcher, die den Text dringlich vorantrieben.

Dresdner Kreuzchor mit Musik von Andreas Hammerschmidt

Das übrige Programm bezog seinen Kern mit Werken von Andreas Hammerschmidt und Heinrich Schütz aus einer teilweisen Wiederholung des Zittauer Festkonzerts, das der Kreuzchor zur Hammerschmidt-Ehrung präsentiert hatte, wobei auch die begleitende Kapelle um Sebastian Knebel (Orgel) dieselbe war wie am Reformationstag. Keine »billige« Wiederholung, sondern eine wunderbare Gelegenheit für das Dresdner Publikum, dies ebenso zu erleben.

»Wohl dem, dem die Übertretung vergeben sind« (HaWV 298) von Andreas Hammerschmidt eröffnete Sebastian Knebel mit einem für die kleine Orgel kräftigen, mitreißenden Spiel; das »Wohl dem …« war ein gesetzter Wohlklang, welcher der Seele guttat – nun mit vollem, geschlossenem Continuo. Wem das Novemberwetter oder anderes zugesetzt hatte, der konnte sich an dem zunehmend hymnischen Verlauf und dem leuchtend betonten »Sela« aufrichten.

Dresdner Kreuzchor, Kreuzchorvesper
© Sylvio Dittrich

Heinrich Schütz‘ nachfolgendes »Ich bin ein rechter Weinstock« (SWV 389) klang im Vergleich wie feines Silberwerk, ließ Worte kristallklar hervortreten und verinnerlichen, nun vor allem von Stefan Maass‘ perlender Laute begleitet. Hier schienen sich die Schwingungen auszubreiten, zu überlagern, weitergegeben zu werden, bis alle in einen gemeinsamen Schlußton fanden. »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes« (SWV 386), ebenfalls von Heinrich Schütz, folgte an sich im Gestus, gewann aber bis zum »Amen« stetig an Volumen und Kraft.

Nach dem Gemeindelied (EG 152 »Wir warten dein, oh Gottes Sohn«) hatte Kreuzorganist Holger Gehring mit der Triosonate e-Moll (BWV 528) ein Werk ausgesucht, das sein Licht nicht grell und siegessicher, sondern mild verströmen ließ. Verhaltene Freude und samtene Innigkeit schienen vorzuhalten – und Kraft zu spenden.

Große Jehmlich-Orgel der Kreuzkirche Dresden, Orgelkonzert, Dresdner Kreuzchor
(c) André Wirsig

Das unterstrich noch einmal Andreas Hammerschmidt mit einer gesungenen Fassung »Vater unser, der du bist im Himmel« (HaWV 305), bei dem Kreuzkantor Martin Lehmann auf Soli und kleine Gruppen vertrauen konnte – auch das ein Zeichen für die Flexibilität des Kreuzchores, solche Besetzungen bei gleichbleibender Qualität zu realisieren!

Mit »Jauchzet Gott alle Land« (HaWV 297) durfte Andreas Hammerschmidt das Programm beschließen. Das ausdrucksstark gestaltete Werk mit seinem betonten Verlauf und vielen herausgehobenen Bildern (»Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich, seine Augen schauen auf die Völker«) stand einerseits für ein Stück erzählerischer Qualität, aber auch für die Fähigkeit des Komponisten, unmittelbar zu berühren.“

9. November 2025 | NMB | Wolfram Quellmalz | „Hammerschmidts umwerfende Wirkung“

Dresdner Kreuzchor, Johannespassion, Matthäuspassion
Dresdner Kreuzchor (c) Martin Jehnichen
Dresdner Kreuzchor, Chormusik, Musik, Silvester
Dresdner Kreuzchor (c) Grit Dörre