„Rheinischer Frohsinn und Musik auf dem Sprung“ | Gereon Krahforst im Orgelkonzert am 5.11.25
7. November 2025
„Das Konzertprogramm von Gereon Krahforst (Kloster Maria Laach) gestern in der Dresdner Kreuzkirche war tatsächlich eines der ungewöhnlichsten und abwechslungsreichsten in diesem Jahr. Der in Bonn geborene, der 2015 als Abteiorganist und Künstlerischer Leiter der Internationalen Laacher Orgelkonzerte ans Benediktinerkloster der Abtei Maria Laach berufen wurde, wollte nach Dresden nicht das mitbringen, was schon alle kennen und hier oft zu hören ist: Bach, Buxtehude, Widor … Da aber – wie im Fall der Kreuzkirche und deren früheren Kantoren und Organisten – auch seinen Lebensweg mehrfach Lehrer oder Komponisten gekreuzt hatten, die hier oder überhaupt in einem größeren Kreis wenig bekannt sind, wollte Gereon Krahforst dem Publikum etwas Besonderes bescheren.
Gereon Krahforst spielte Mitbringsel aus dem Rheinland und der Eifel
Das ist ihm durchaus gelungen. Gereon Krahforst zeigte sich im Vorgespräch nicht nur begeistert von seinem derzeitigen Arbeitsplatz und den vielen Besuchern der Konzerte (immerhin gibt es in Maria Laach kein »zugehöriges« Dorf, die Besucher reisen also alle aus dem Umland an), sondern erzählte auch, wieviel ihm das Liturgiespiel bedeute, das eigentlich immer – sogar in einem Konzert wie an diesem Abend – bestimmend bleibe.
Willy Poschadel war lange Jahre Organist an der Bonner Kreuzkirche. Seine Orgelsonate B-Dur ist nahezu unbekannt – in Dresden nun nicht mehr. Gereon Krahforst fand, sie sei der »Wagner« im Programm, was man hinsichtlich der Größe und thematischer Verschlingung durchaus so sehen kann. Eröffnet wurde die Sonate mit einem Akkord wie für großes Kino, der zum Thema wuchs. Darin erklang der Choral »Nun ruhen alle Wälder« in wechselnden Abschnitten. Dieser Wechsel von Umgebungsszene und eingebettetem Text sollte sich noch bei anderen Stücken wiederholen.

Den zweite Satz, eigentlich eine Romanze, spielte Gereon Krahforst im Stile eines Cantabile oder Nocturne, bevor die Fuge einen wirkungsvollen Schlußpunkt setzte, denn ihr Melodieverlauf ist äußerst sprunghaft. Für derlei fast sportive Verläufe hat der Organist (oder die rheinländischen Komponisten) offenbar eine Vorliebe, denn auch dies sollte sich wiederholen.
Zwei kleine, aber mit ausgesprochen schönen Farben gestaltete Beispiel der »Mitbringsel« waren ein Choralvorspiel »Ihr Freunde Gottes allzugleich« von Clemens Ingenhoven, der am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts der Bach’schen Tradition gefolgt war, sowie Carl Sattlers Fantasie Opus 8. War bei Ingenhoven die Traditionspflege formgerecht und klangschön geblieben, hatte ihn also nicht als »Traditionalisten« bloßgestellt, der sich nicht weiterentwickeln konnte, so war die Fantasie mit einem auffällig lebhaften Charakter ausgestattet, auch wenn mancher hier (zumindest am Beginn des Maestoso) Vorbilder wie Bach oder Krebs hören mochte. Das Adagio wiederum gab sich ausgesprochen romantisch, bevor im letzten Satz (Grave) wieder ein Wechselspiel mit dem inbegriffenen Text (»Dem Herzen Jesu singe«) zum Tragen kam.

Mit Hermann Schroeders Andante d-Moll und Vivace D-Dur (Nr. 3 und 4 aus Praelambeln und Interludien) wurde es chromatisch deutlich moderner als beispielsweise bei seinem Zeitgenossen Ingenhoven. Starke Stakkato-Effekte sorgten im ersten Stück teils für einen Eindruck elektronischer Musik, während das zweite mit verspielten Läufen und – wieder einmal – Sprüngen auffiel.
Mit Johann Joseph VeithsLudwig Boslet Fuge aus der Orgelsonate über den österlichen Hymnus »Ad regias Agni dapes« wurde sogar ein Schicksalsmotiv hörbar – mit Sprüngen! Oder vielmehr Stufen in diesem Fall. Was aber nicht den Eindruck erwecken soll, Gereon Krahforst wäre von sprunghaftem Charakter oder hätte eine solche Spielweise. Dafür schenkte er noch Miniaturen wie Peter Piels zauberhaftem Trio B-Dur zu viel Aufmerksamkeit!
Noch eine weitere Orgelsonate stand am Ende des Programmteils der »Mitbringsel«, jene von Ludwig Boslet (Nr. 5, D-Dur). Während das Allegro expressiv zwischen den teils gesanglichen Themen wechselte, wuchs das Adagio schumannesk und bedächtig. Der Abschluß war noch einmal expressiv und mit einem Thema im Choralcharakter.
Wie ein fernes Flimmern begann Gereon Krahforst danach eine Improvisation über zwei Themen: Zum Abschluß verschränkte er dabei »Ave maris stella« und »Salve Regina« und brachte beide richtiggehend zum Strahlen.
Wer jetzt noch nicht beeindruckt war, der durfte es beim wirklich letzten Schlußstück – der Zugabe sein. Kein liturgisches Spiel diesmal, kein Choral, sondern Noel Rawsthornes unterhaltsame Hornpipe humoresque, die über englische Volksweisen (»Jack’s the Lad«, Thomas Arnes »Rule Britannia«) bis zu Charles-Marie Widors Toccata phantasiert.
6. November 2025 | NMB | Wolfram Quellmalz | „Rheinischer Frohsinn und Musik auf dem Sprung“