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„Einmal Kruzianer – immer Kruzianer“ | Dresdner Kreuzchor | Vesper und Mitsingkonzert am 31. Mai und 1. Juni 2025


6. Juni 2025

„Die Vesper zum Sonntag Exaudi hob sich durch Besonderheiten aus dem üblichen Alltag des Dresdner Kreuzchores heraus. So machte es das regelmäßige und diesmal in Dresden stattfindende Alumnitreffen möglich, dass sich auf dem Altarplatz ein umfangreicher Männerchor versammelte. Dadurch entstand im Laufe der Vesper ein besonders kraftvolles, tragfähiges und in vielen Schattierungen flexibles Klangfundament, wie man es hier sonst nicht erlebt (und logischerweise auch nicht erleben kann). Die Herren verkörperten die Tatsache, dass sie nicht das Geringste verlernt haben, vor allem aber sangen sie mit aller gebotenen Überzeugungskraft.

Dresdner Kreuzchor – Vesper und Mitsingkonzert

Kruzianer ist man eben nicht nur für eine kurze Lebensphase. Die Erfahrungen im Chor prägen einen ein Leben lang. Das sind Fußstapfen, in die auch Ludwig Haenchen tritt – hoch begabt, sensibel als Organist und Dirigent. Er wird im nächsten Jahr der 1. Chorpräfekt sein und reihte sich nun in die lange Reihe der Rudolf-Mauersberger-Stipendiaten ein (auch der heutige Kreuzkantor Martin Lehmann gehört dazu). Das Stipendium geht auf die besondere Förderung des ehemaligen Kruzianers Dieter Klaus zurück und wurde jetzt zum 33. Male verliehen.

Haenchen nahm sich in sehr schlichter Weise der Vertonung des uralten Kreuzchor-Wahlspruchs „Schola crucis“ durch den legendären Kreuzkantor Rudolf Mauersberger an. Die eigentliche Stärke des jungen Mannes ist die Orgel. Trotz seiner erst 16 Jahre studiert er das Instrument bereits an der Leipziger Musikhochschule. In dieser Vesper brachte er die effektvolle Toccata aus Marcel Duprés 1929 entstandener Deuxième Symphonie op. 26 zu Gehör. Haenchen ließ der darin liegenden feurigen Virtuosität ihren Lauf und setzte dennoch auf kraftvolle, den Charakter des Werkes bestimmende Akzente.

Dresdner Kreuzchor, Mitsingkonzert
Dresdner Kreuzchor, Mitsingkonzert und Kreuzchorvesper in der Kreuzkirche Dresden (c) Matthias Rietschel

Zu einer großen Freude avancierte auch die Wiederbegegnung mit Roderich Kreile, dem Amtsvorgänger von Martin Lehmann, an alter Wirkungsstätte. Alle schienen sich hörbar wohl zu fühlen bei seinem wie immer engagierten, ausdrucksstarken Dirigat, zum Beispiel bei Arvo Pärts „De profundis“ von 1980. Das flehentliche Gebet kommt aus der Tiefe daher, steigt immer weiter empor in eine Unisono-Passage, um dann wieder im Nichts zu versinken. Kreile und der Männerchor legten eine energisch-zupackende, plausible Ausdrucksintensität in die Wiedergabe. Im Übrigen teilten sich Kreile und Lehmann in die Leitung der Vesper, fanden teilweise ihren Platz auch im Chor.

Es begann mit einem eindrucksvoll differenzierten Introitus von Jan Arvid Prée für den bevorstehenden Sonntag, ein beeindruckender, schön differenzierter Dialog zwischen Männer- und Knabenstimmen. Dem Kreuzchor und Lehmann blieb ein achtstimmiges „Alleluja“ des Amerikaners Jake Runestad vorbehalten – eindringlich und rhythmisch prägnant. Im inhaltsschweren Auftragswerk „Crux Duplex“ von Torsten Rasch, welches sich mit dem doppelten Kreuz des Menschen − dem Verlangen nach Licht und der Todesangst − befasst, mischen sich ein vierstimmiger Chor und Männerchor mit Knabensoli. Große Klangballungen, innige Teile, dazu Volksliedzeilen, wie man sie einst als Kruzianer sang, bestimmten den Charakter des vielschichtigen Stückes, das unter Lehmann eine farbige und lebendige Wiedergabe erfuhr.

Traditionelle Kreuzchorliteratur fehlte nicht, so etwa in lichter Durchsichtigkeit die siebenstimmige Motette „Exaudi Deus orationem meam“ von Giovanni Gabrieli und strahlend schön „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, wofür sich Lehmann verantwortlich zeichnete. Am Ende vereinigten sich alle Kräfte in dem Zuversicht verkündenden Satz „Dextera Domini“ von César Franck – klangschön, in bildhafter, machtvoller Plastizität.

Dresdner Kreuzchor, Mitsingkonzert
Dresdner Kreuzchor, Mitsingkonzert und Kreuzchorvesper in der Kreuzkirche Dresden (c) Matthias Rietschel

Der andere Tag brachte in der Kreuzkirche eine Rarität, nämlich ein Mitsingkonzert, an dem sich alle beteiligen konnten, die den Gesang im Allgemeinen sowie das Requiem von Mozart insbesondere lieben. Der Zuspruch von Musik interessierten Laien war groß und rekrutierte sich unter anderem auch aus den Alumni, Kruzianereltern, Mitarbeitern und einer weiteren gut vorbereiteten Schar. Es ging in dem Konzert nicht um lupenreine Intonation oder die letzte Ausdrucksfinesse, sondern darum zu zeigen, wie bereichernd das Singen in der Gemeinschaft ist.

Mozart konnte sein bald geheimnisumwittertes Requiem nicht mehr vollenden. Das tat sein Schüler Franz Xaver Süßmayr. Eine düstere Grundstimmung durchzieht das Werk, wobei dem Chor eine tragende Rolle zukommt. Wenn man die motivierende, mitreißende Art des Kreuzkantors gerade gegenüber den Chorlaien erlebt hat, konnte man nur überzeugt sein, dass es eine gute Aufführung werden würde. Und das wurde sie auch.

Dem Kreuzchor allein oblagen einige wenige, exponierte Teile. Ansonsten war es eine an Klangqualität wunderbare Leistung des Gesamtensembles, dynamisch abwechslungsreich, eindringlich und unverwechselbar im Ausdruck, kontrastreich. Mit den zügigen Tempi, für die sich der Kreuzkantor entschieden hatte, kam man gut zurecht. Hervorzuheben sind beispielsweise das scharf akzentuierte „Rex tremendae majestatis“, das innige „Lacrimosa“ oder der recht exakt ausgeführte. fuguerte Satz „Osanna in excelsis“.

Mit Anett Fritsch (welch leuchtender Sopran), Britta Schwarz, Eric Stokloßa und Andreas Scheibner stand ein versiertes, oft erlebtes Solistenquartett zur Verfügung, das mit dem Mozart bestens vertraut ist und auch hier nichts schuldig blieb.

Wie erwartet zauberte die Dresdner Philharmonie ein überaus geschmeidiges, wunderbar differenziertes Klangbild, das einige Höhepunkte, zum Beispiel das markante Blech, bereithielt.“

Mareile Hanns | DNN Kultur | 04.06.2025 | „Einmal Kruzianer – immer Kruzianer“

Dresdner Kreuzchor, Mitsingkonzert
Dresdner Kreuzchor, Mitsingkonzert und Kreuzchorvesper in der Kreuzkirche Dresden (c) Matthias Rietschel