„Romantischer Abschluss“ | Orgelkonzert für Caspar David Friedrich | 04.12.2024
6. Dezember 2024
Caspar David Friedrich zum Dresdner Orgelzyklus. „Hätte man es ahnen können? Auf der jüngsten Aufnahme von Kreuzorganist Holger Gehring mit Sebastian Pachel (Panflöte) strahlt ein Sonnenuntergang über Dresden, wie ihn Carl Gustav Carus um 1822 gemalt hat. Der Weg von Carus zu Caspar David Friedrich ist in dessen 250. Geburtstagsjahr kurz, in der Kreuzkirche ohnehin: Hier heiratete der Maler am 21. Januar 1818 Caroline Bommer. Am Mittwoch enthüllten Torsten Kulke vom Dresdner Romantik e. V. und Pfarrer Holger Milkau eine Tafel am Hochzeitsportal der Kreuzkirche, die an diesen Anlass erinnert.
Das letzte Konzert des Dresdner Orgelzyklus‘ fällt immer ein wenig anders aus, als „Orgel-plus“, mit Orchester, auch Bildende Kunst war schon zu erleben. Lichtkünstlerin Andrea Hilger gestaltete diesmal mit ihrer „Hillumination“. Axel Thielmann, dessen sonore Stimme in Radio und Fernsehen zu den markantesten gehört, las.
Caspar David Friedrich stand im Mittelpunkt des letzten Konzertes im Dresdner Orgelzyklus
Mit Projektoren und zwanzig gestalteten Glasplatten, die kombiniert werden konnten, verwandelte Hilger die Kreuzkirche in ein Gesamtkunstwerk, bei dem man manchmal nicht wusste, ob man mitten in einem Bühnenbild war – eine mythische Freskengrotte etwa? Denn auch wenn Caspar David Friedrichs „Tetschener Altar“ am Anfang einmal eingeblendet wurde, blieben die übrigen Bilder unkonkret, dennoch deutbar, ja phantastisch. Vögel, Tiere, Wesen oder einfach nur Augen konnte man entdecken, symbolhafte Hieroglyphen. Durch Farbverschiebungen und die Musik änderte sich der Eindruck manchmal – waren die hellen Streifen nun Adern in einem Achat oder rinnendes Wasser?
Musik, die durch Caspar David Friedrich überliefert ist, gibt es an sich nicht, dafür aber ein um so breiteres, offeneres Œuvre an Werken der Romantik. Holger Gehring hatte sich für die Studien in canonischer Form (op. 56) von Robert Schumann entschieden, die wie wildes Wasser, organisch fließend, lieblich oder auch beschwingt und froh klangen. Die Jehmlich-Orgel stand als Darstellerin den Bildern in nichts nach, die enge Verzahnung von Musik und Illumination (oder Imagination) war sinnig, teils verblüffend.
Axel Thielmann sorgte mit pointierten Textvorträgen dafür, dass niemand zu romantisch abschweifte oder setzte gerade mit Beiträgen von Novalis Zeichen von besonderer Deutungstiefe. „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ gehörte dazu, später folgten noch drei der „Hymnen an die Nacht“ („Welcher Lebendige“, „Muss immer der Morgen wiederkommen?“, sowie „Einst, da ich bittre Tränen vergoss“). Dichteste Romantik, wild und verzagt, fast greifbar – wie schön, dass die „Hillumination“ hier nicht wild bebilderte, sondern mit wenigen Übergängen jeweils auf die Atmosphäre bedacht war.
In ihrer Dichte waren die Hymnen einem ebenbürtigen Orgelwerk gefolgt, Adagio und Allegro aus Julius Reubkes Sonate c-Moll („Der 94. Psalm.“). Kein „Kleinod“, ein „großes Ding“ ist es, das zunächst deutlich seine Nähe oder Inspiration bei Franz Liszts h-Moll-Sonate (für Klavier) verriet, jedoch immer mehr und mehr Eigenständigkeit gewann.
Natürlich durfte Goethe („Das Göttliche“) nicht fehlen, wie dessen musikalischer Verbündeter Felix Mendelssohn, dem mit Ausschnitten aus seinen Orgelsonaten der Abschluss vergönnt war. Dass es bei all dem romantischen Schimmer in der Musik und dem rot glühenden Marmor im Bild zu keiner symbolischen Überladung kam, zeugt von der guten Gesamtkomposition, zu der auch Sentenzen und Erinnerungen von Caspar David Friedrich zählten („Der Maler“, „Die Schönmaler“, „Die Abende gehe ich über Wald und Flur“). Joseph Freiherr von Eichendorffs „Im Abendrot“ und Conrad Ferdinand Meyers „Friede auf Erden“, worin er sich dem Weihnachtswunsch näherte, gehörte das letzte Wort.
Der Dresdner Orgelzyklus pausiert nun bis Anfang des kommenden Jahres. Frauenkirchenkantor Matthias Grünert wird dann am 5. Februar das erste Konzert bestreiten, eine Woche später ist Johannes Unger (Lübeck) in der Kreuzkirche zu Gast. Kurz vor dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens heißt es dann „Wie liegt die Stadt so wüst“.“
06.12.2024 | Wolfram Quellmalz | DNN Kultur | „Romantischer Abschluss“